Tapiesbuch

Zu einen übermalten Buch von Tone Fink in der Sammlung Liaunig von Peter Baum.

Fliegt der Buchfink aus, ist mit reicher Beute zu rechnen.

Er ist vielseitig, einfallsreich und agil. Von seinem hellen schelmischen Blick im Alltag lässt sich auch manches in seinen Werken wieder entdecken. Einer ihrer Vorzüge liegt darin, dass sie sich nur bedingt fassen lassen. In ihrer Wendigkeit und Ambivalenz, meist pendelnd zwischen Skizze und Ganzem, Anriss und Ausführung, schlagen sie unberechenbare Hacken, irritieren und elektrisieren und halten auf diese sympatische Art des Hungerstllens ihr Publikum ordentlich in Trab. Gäbe es für Individualisten einen Prototyp, könnte dies Tone Fink sein.
Als Vorarlberger in Wien ist er ein exzellenter Kenner unerlässlicher West-Ost-Beziehungen.
Was er malt, zeichnet, druckt und strickt, aufführt, in bibliophilen Büchern unterschiedlichster Bauart einschließt oder als Objekt auf den Markt rollt, steckt rundum und querfeldein in einem Schlachtfeld voll von Beziehungen, künstlerischen aber auch pratischen, die, wenn die Dinge sperrig im Raum stehen, nur der behende Turner und Tänzer gewinnbringend für Auge und Ohr zu mobilisieren vermag.
Der kratzpürstige pfiffige Vorarlberger hat es gern, Buchfink genannt zu werden. in dieser seltenen proffession mit Muße agierender unikater Produkthersteller ist er österreichweit ein Profi, originell, rasch reagierend und mit ganzem Einsatz bei der Sache, egal, ob ein bestimmter Foliant, der bis zu seiner Vollendung vieler Abenteuer zu bestehen hat, mannshoch oder nur notizbuchgroß ist.

Fink, den der Tick mit den Büchern um 1980 ereilte, bekam eines Tages bei seinen Erkundungsflügen über die neuere Kunstgeschichte eine prächtige, reich bebilderte Monographie über Antoni Tapies in seine Fänge. Das wohlfeile, schöne Buch, wie es früher einmal hieß, setzte ihm von den ersten Seiten an gleich ordentlich zu. Tone entdeckte bei sich jede Menge herausfordernder Affinitäten zur imponierenden Bandbreite der ästhetischen Praxis des großen Katalanen. Der Sprung vom Betrachter zum bildnerischen Mittäter ließ nicht lange auf sich warten und in einer Art von Schaffensrausch, den sich der sonst eher ruhige und mit Muße agierende Künstler heute kaum noch erklären kann, wurden die 160 Seiten plus Einband in einem orkanartigen Non-Stop-Furioso in kürzester Zeitspanne überarbeitet. (Tapies als Gundlage ist ien guter Grund, gründlich weiterzuarbeiten.)

Tone Fink, Baujahr 1944, der sensible Zeichner, Collagist und bildnerische Querdenker mit schulischer Vergangenheit in der exzellenten Melcher-Klasse an der Wiener Akademie der bildenden Künste und einem Studium bei Max Weiler, ging sein zweiwöchiges Arbeitspensum gleich ordentlich an und verwandelte sich von Seite zu Seite zum Buchfink aus Leidenschaft. Das "Tapiesbuch", wie er es nannte, wurde Tag und Nacht zum Exerzierfeld vielseitiger graphisch-malerischer Praktiken, stilistisch unterschiedlich etikettiert und in allen nur denkbaren Technik ausgeführt. So beinhaltet das künstlerische Arsenal seiner Ein-und-Zugriffe nicht nur traditionelle Verfahren wie Aquarell, Zeichnung, Collage, Temperamalerei und den gelegentlichen Einsatz von Öfarben, sondern auch Schnitte, Faltungen und ornamentale Durchlöcherungen, mit denen die glatte Buchseiten der Unterlage dreidimensional erhöht wurde. Zum Unterschied zu Alfred Hrdlicka, der einen berühmten, grandios abgehandelten Radierzyklus der 1960er Jahre in bewusster Distanzierung zu abstrakten Malerein eines ihrer wegbegleiter mit "Poll over Mondrian" bezeichnete, verehrt der künstlerischen Wechselbädern zugetane Vorarlberger Tapies nach eigenen Worten in "narrativer Erweiterungsabsicht" mit einer kompakten All Over Hommage, die sich sehen lassen kann.