TONE FINK

ARBEITEN AUF PAPIER


NEXUS KUNSTHALLE SAALFELDEN

Vernissage: Freitag, 10. Februar 2012

 

Fernando Pessoa schreibt im 'Buch der Unruhe', die menschliche Seele sei ein Irrenhaus des Grotesken. Etwa in diesem Sinne zeigt uns, bei gleichzeitiger Vergnügtheit, das Kaleidoskop des Kunsthalleprogramms diesmal die phantastische Welt des Tone Fink.

Liebe Kunstfreunde: Im elften Auftritt des ersten Aufzugs des zweiaktigen Dramas "Die gefesselte Phantasie" von Ferdinand Raimund schwebt die Allegorie der Phantasie auf rosigem Nebel geflügelt auf die Bühne, tritt aus der Rolle und stellt sich in einem Lied dem Publikum mit folgenden Versen vor, die steckbriefartig den Künstler des heutigen Abends beschreiben:

Ich bin ein Wesen leichter Art,
Ein Kind mit tausend Launen,
Das Niedres mit dem Höchsten paart,
’s ist wirklich zum erstaunen.
Kurzum, ich bin ein Kraftgenie,
Sie sehen in mir den Tone Fink.

Also Tone Fink als lebendige Allegorie der Phantasie, als die personifizierte Fähigkeit, Gedächtnisinhalte aus dem wirbeligen Stegreif des zeichnerischen Tuns bildnerisch zu neuen Vorstellungen zu verknüpfen. Um ein anderes, berühmtes Wort in Paraphrase zu bemühen: Wovon man nicht sprechen kann, darüber kann der Tone zeichnen. Dessen sind wir Zeuge angesichts dieser im Urmedium der Kunst, der Zeichnung, vorgetragenen wunderlichen Werke.

Welche, allerdings, wir hier nicht feiern könnten ohne den unterstützenden Ankauf eines Bildes durch das Architektenduo Carsten und Hendrick Innerhofer, wofür ich im Namen aller Kunstfreunde danke, und gleichzeitig darüber aufkläre, dass sich im zehnbändigen Lexikon des deutschen Aberglaubens unter dem Stichwort 'Fink' nicht wenige Einträge finden. So zum Beispiel, dass dieser Vogel Regen kündet wenn er ruft: '’s trieft, ’s trieft' oder: 'Schütt-schütt', in Schottland gar 'Wet-wet! Dreep-dreep!'; oder dass im Neste des Finken sich bisweilen ein Steinchen von grauer Farbe findet, mit dem sich der Träger unsichtbar machen kann. Aber von all den vielen volkstümlichen Beobachtungen interessiert uns hier vor allem die wiederholte Erfahrung, dass der gelungene Fang eines Finken Glück in der Liebe bringt; wobei sich die Nutzanwendung dieses lexikalisch dokumentierten Zusammenhangs mühelos ergibt: einen Finken fangen heißt in unserem Fall nichts anderes als einen Fink erwerben. Und das sage ich jetzt nicht in maliziöser Absicht, dass ein Streit zwischen den Brüdern darüber ausbrechen möge, wer nun dieserart holden Lebenslauf erwarten darf; ich teile das mit um darauf hinzuweisen, dass zur Vermeidung von Unsicherheit auch zwei Werke feil sind. Und dieser Zauber gilt, wenn wir dem Lexikon trauen, eigentlich für alle.

Tone Fink wurde am 1.1.1944 in Schwarzenberg, Vorarlberg, als Sohn eines Huf- und Wagenschmieds geboren. 1963-1969 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei den Professoren Max Weiler und Max Melcher. 1974 lichtet Tone Fink den Anker ziviler Berufsausübung und arbeitet fortan als freischaffender Künstler in Schwarzach, Vorarlberg, und seit 1977 auch in Wien. In den Jahren 1994-2008 unterrichtet er an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, Salzburg. Namhafte Museen und Galerien des In- und Auslands zeigten Personalausstellungen des Künstlers; zahlreiche Buchpublikationen, Filme, Installationen und Performances runden sein Werk.

Bevor ich Herrn Dr. Achim Gnann, Kurator an der Albertina Wien, um seinen Beitrag bitte, noch ein Wort zu den Buchobjekten. Großzügig stellte uns Tone Fink drei Unikatbücher zur Verfügung: ein originalisiertes Tapies-Tone-Finkbuch und einen genial verfinkten Twomblykatalog samt selbst gefertigtem Tisch und Hockthronen, sowie ein riesiges graphisches Antiphonar für eine optische Liturgie mit zugehörigen Pult. Noch großzügiger erteilte der Künstler die Erlaubnis zum direkten Umgang mit diesen Buchobjekten. Ich lade sie daher ein, diese einzigartige Möglichkeit exquisiten hautnahen Umgangs mit Kunst blätternd zu nützen. Es ist ein besonderes Privileg, dass sie weder durch einen reflexlichternden Schaukasten linsen, noch die Hände mit Zwirnhandschuhen kondomisieren müssen. Genießen sie also das sinnliche Vergnügen Papier zu begreifen, und all die haptischen Erlebnisse verschiedener Oberflächenstrukturen zu spüren.

Christoph Feichtinger