Fotokatastrofieren

Marianne Greber : Tone Fink

Text Tone Fink

Aufwärtsstürze
Ursprüngler im Visier. Aug um Aug, den Ton(e) angeben.

„Wenn der Schein wild wird nach Gestalt,
wird er den Spiegel zum bersten bringen."
Botho Strauß

Marianne - Ennairam, grebert sich in die Hildegard und mausert zur Monika. Sie verwandelt sich in ihrem Werk zur Scholastika und mich zum Ignaz. MG tätert den Opertone zum Purzelbaumfriedrich, der wiederum juliust sich zum Hansjörg und kaspert zum sprühenden Sprungfunken wie inst(f)inktiv. Es kommt vor, dass die Ruhe immer weniger wirtschaftet; menschenskin(d) tut dear sa blöd; ar git als und laut als ussar för a paar schöane foto; dear gschiedling tuat sa dumm, das as oam schleat veardo künnt.

Kreiselnd, treppelnd, aufrichten, lärmrollen, schaukeln, fallen, fahren, zu und aufklappen, drehen, überschlagen, hüpfstolpern, rutschen, angeben, herzeigen, aufziehen, umfallen allat schnorrowaglo, wiebolo und gschiedolo, Bewegung erzeugt Leben. MG schießt oft und oft, fast nie dabeneben, schnell, gezielt und langsam mit ihrer MG (Maschinengewehr), sie trifft gut und macht mich aber immer noch lebendiger. Ein Schuß nach hinten, aber für beide nach oben geworben für den Kunsthimmel. Textilverwoben, stoffenthoben, musterknäbisch eingehüllt, in artoneischen Ottenklamotten Lutzia pass uf, dass as nüd dschöa weat, denn wo alls schöa ischt, ischt nix me schöa. Dör Stoff ischt zöm griffo frie, und Julia weackt wia a musterstemplare und dör Lothar via a schamtüpflestachler. Die Dornen werden nach innen gedreht und der Schmerz schauspielert sich nach außen, in zärtlicher Lachmine.

S`Grebermödele erzieht mich zum Stillhalten, Anhalten und für ihre Apparatsicht in der Bewegung festhalten - und räucht no gnod an tschik. Nach einer Fotosecession ist Roswitha und Hansjörg glücklich erleichtert, erfolgsaussichtbeschwingt mit süßlosen Schokoladegägelen.

Sie lässt nicht los, ausharrend, nimmermüd und bildeinfangenergiegeladen, schnappt sie immer wieder zu und schießt freihändig von ganz unten im Staubboden versinkend oder auf schwindelnder Höh Bewegung, Aura, Atmosphäre, authentisch f(l)ink und gefinkelt und beides vergrebert. Ton(e) in Ton(e) einfangend festgehalten. Manchmal sich selbst auslösend, ins Bild spielend, wie eine jungfrische Schwester mit frisch altem Daddy, im Sandkasten Bausteine verrückend, oder eine neue Welt schaffend, verlieren sie sich im genüsslichen miteinanderspielen fast zehn Jahre lang und freuen sich schon lange, die kraftkindelich geschöpften Lustkörpertänze aufs Papier zu bringen und im Buch auf den Kopf zu stellen, um dabei den Bauch zu spüren. „Man kann keine Kunst mehr machen, die ausschließlich Kunst ist."

MG stellt den Gürtelkniff zwischen Kuba und Brasilien und globalisiert meine Regionalergüsse. Nach diesem Paarbuch wird sie umgetauft in Amaz(t)one. Die umbeirrte Abdrückerin und Bilderfinderin, schöpft weiter aus meiner vollen Lebenssicht (Bösewicht). Sie deckt das in mir auf, was nicht in mir ist und wahr, das Anders-sein-wollen. Von wo kommt der infantile Hockusbockus?

MG unterstützt meine narzistische Probiergier und Verwandlungsgetue. Sie macht meine kindliche Anfälligkeit sinnvoll und frei. Es wird nicht lang hinterfragt sondern getan. Das Ego verschmilzt im Dinghandeln körperbezogen mit den fragilen Werkgeräten und sie spielt dreiäugig mit, balanzierende Drahtseilakte werden zu halsbrecherischen Grenzüberschreitungen. Das Werk von allen Licht- und Schattenseiten durchwandernd, hindurchschreiten, das Subjekt findet sich im Objekt und umgekehrt. MG durchschaut die gebauten Tagesringe mit ihrem dritten Auge und hält wieder die wachsenden Turm- und Säulenwälder fest und lässt sie los in der zugespitzen Fortsetzung und die Verlängerung verlangt nach aufspürender Abbildlichkeit durch ihr Medium. Manchmal hören wir den Atem und riechen unsere Stimmen vor lauter Nähe. Nervenvibrieren kann uns ins resolute oder „restresoltätige" Stimmung versetzen.

Ob Longzeppelinzigareggs auf Murnockelnsteinchen für den Steirischen Herbst, verschoben und regenschutzgemantelt werden mit Papierschnipseln und Wortfetzen buchstabierend oder Stachelbusen überhupfen und unterm Dornenschild entschlüpfen. Dusnelda ist Marianne und in welcher Namensgestalt auch immer dabei. Kastrationskeilnacktrutschen, Pappamobilberührverkörpern, sie versäumt non-stop nichts Wesentliches und versetzt meinen Spieltrieb in darstellende Exzessivraserei.

Wenn sie in ihrem (Kunst) Element werkt, und das tut sie fast immer, nimmt sie auf uns beide keine Vor- und Rücksicht, auch ich um meine Dinger ihrem Augtrio in der Aktion oft bedrohlich nahe kommen. Im Gegenteil, sie hilft, unseren Abstand zu verringern und wird so handschriftlich Teil unserer Werkinszenierungen. Ob Buddhafraufroschen unter den Leiterwagenwalzenrädler geraten in einer Sargkiste duckmausend verzupfen, in ein Bankset dazwischenpressen oder ein Batmanfluggerät schwerst ertragen, sie fordert mit ihrem festhaltenden Dabeisein. MG fährt mit ihrem Augapparat durch das Werk und den Künstler hindurch, löst mich im Werk auf, bekräftigt den Bewegungs- und Performanceprozeß, lässt nicht los, aber bleibt locker und treibt mich zu neuen, Variationsformen, um ihrer Sicht und Experimentmöglichkeit gerecht zu werden. MG gibt mir ein zweites Leben oder schießt mich erfinderisch in viele Leben (also eine Traumfrau für jeden Mann) und kratzt neue Oberflächen auf, um in die Seelentiefe vorzustoßen. Sie macht den Bienentanz mit mir und ihr und ihrer Kamera. MG ist Antriebsmotor und lässt mich kontinierlich Warmluafen im Kreuz und Quer, im Hin- und Herspiel.

MG tritt immer wieder auf den gestaltbildenden Drücker und lässt locker nicht los, setzt auf mich in allen Lagen und Lügen, und drückt ab. Sie wirft mich immer wieder erfindungsreich und suchend in neue Welten. Sie lässt nichts aus und so bleib ich im Probiertaummel getrieben, im quantitativen Experiment sucht sie immer Qualität. Es ist ein vertiefen in Wallungen, die abgründig und oft tragisch komisch sind und die Marianne mit ihrem „Baby" ans Tageslicht fördert. Kindheitsverbotenes aus dem Bregenzerwald wird in Wien am Gürtel „kunstgesündet".

Ihr Nahsein bringt neue Gesichter, die unter der Haut wachsen (Kunstseinmasken). „Das spielende Tier" sprudelt und nudelt als Quelle des Wieder- und Wiedermachens und zitiert mit nichten im Galopp. Das Spiel steht oft auf dem Spiel für uns beide. Der eine dringt ins Alleinsein des anderen, hält es nicht allein, für sich selbst will es in Begegnung und Kommunikation mit dem Betrachter nicht vergessen lassen. Meine Vielsagensweisen werden von MG meisterhaft übersetzt und umbeschönigt hinterfragt und zu ihrer Bildkomposition gemacht.

Ich überlebe mariannenhaft. Die heilige Gürteldomestiziererin übt mit dem Wetsbahnhofmönch. Das buchstäbliche „ins Auge fassen" in offener und durch und Durchdringlichkeit manifestiert das Dasein und Einssein und Zweisein mit der Lust ab Werkspiel. MG lässt mich aus der komformistischen Beängtheit ausbrechen. Ich muss mich bremsen, sonst könnt es zu weit gehen. Eine Triebkraft ist die Gegenwart des anderen und die berührende Nähe gegen das Alleinsein. Oft haben wir die Artigkeit vergessen gemacht und die innere Würde gegen die äußere Würze der Dinge getauscht. Autochtonen. Bewegung ist Leben, Stillstand ist Tod, in fleischlicher Unreife aber in triebkräftiger Freude wurden Verwandlungsprozesse interaktiv. MG pürt das innere Echo und bleibt mit ihrem Augwerkzeug energiegeladen empfänglich. Sie entwickelt meine Ich-Echooberflächen und macht sie aus ihrer Sicht sehbar und singt im Glücksaugenblick Unbeschwertes erlöst oder erleichtert sein. Dann vergreift sie sich wieder an meiner Kehle, um einen neuen F-Vogel zu gebären. Kamerageborgen, zappeln zwischen ihren fast gewaltsamen eindringlich Bildketten und unerschöpflichen Modulationen, Erfindugsformen und Gestaltdingen, entsteht eine höhenwirkende Rivalität. Wer macht mit wem und durch wen die Kunst grösser? Vereinahmung für Verzweisamung. Hoffentlich ein echter Kampf und kein Tauschschattenboxen.

„Wer bist Du?
Ich bin die Seele im Fegefeuer"
André Breton